Telling, Showing, Playing

Was für den Deutschen der Mittelpunkt ist, ist für den skandinavischen Live-Rollenspieler der Knutepunkt. Seit 1997 findet er jährlich in unterschiedlichen Städten – zuletzt in Katrineholm (Schweden) am vergangenen Wochenende – statt. Diesmal stand er unter dem Thema „Show not tell“; dabei war den Veranstaltern das „mitmachen“ und nicht das „zuschauen“ wichtig und sie bemühten sich, dies nicht nur den Teilnehmer der zahlreichen Mini-LARPs zu zeigen (eines davon war z.B. „Phase 5„, das auch schon auf dem Mittelpunkt eine Menge Spaß gemacht hat).

„Des LARPers Lethargie“, welche ja im Grunde nur eine Ausprägung des „Konsummenschens“ ist, scheint also kein deutsches Phänomen sein. Na gut, wer hätte das gedacht. Aber wie gehen die Nordmänner damit um? Dass sie es als „Problem“ und nicht als „Entwicklung“ sehen ist offensichtlich. Aber ist „Show not tell“ wirklich der richtige Weg? Natürlich ist es für den Spieler leichter, sich stärker in die Geschichte zu vertiefen und intensiver zu erleben, je tiefer er in die Simulation eintauchen kann. Und selbstverständlich ist es immer besser, Dinge zu zeigen, anstatt sie zu beschreiben. Aber bestärkt man dadurch nicht noch weiter den „ich hab gezahlt – bespaßt mich“ LARPer?

Telling ist pfui. Keine Frage. Es ist die letzte und (fast immer) schlechteste Methode, um einen Spieler etwas erleben zu lassen. Dafür hätte er nicht von seiner PnP Couch aufstehen und auf seinen Pizzaservice verzichten müssen. Aber eine perfekte Show abzuliefern ist ein wenig, als würde man den Spieler zum Kinobesucher machen – und Kinobesucher sind per Definition eher stark im rezipieren und nicht im partizipieren ;-).

Wenn ich mich an die frühen ConQuest-Jahre erinnere, als große Bühnenshows an der Tagesordnung waren, muss ich mich natürlich an der eigenen Nase packen. Das waren visuell und akustisch ansprechende Darbietungen, die allerdings das mitspielen nicht gerade förderten. Als wir ein paar Jahre später interaktive Shows anbieten wollten, wurde das weder verstanden noch angenommen. Wir hatten selber dazu beigetragen, dass sich der Spieler mehr als Zuschauer und weniger als Protagnoist fühlte.

Was also tun? Es gibt viele kreative Ansätze im kleinen, deren Adaption auf mehr als 100 Spieler aber noch nicht realisierbar scheinen. Das LARP um die Ecke (egal von welcher Kampagne) wird immer mehr zu einer Konsumveranstaltung. Inzwischen scheinen sogar schon viele erfahrene Veranstalter mit aktiven und kreativen Spielern völlig überfordert zu sein, weil diese nicht mehr dem Durchschnitts-LARPer entsprechen. Wirft man einen Blick auf die größeren und kommerziellen Veranstaltungen, so bemüht sich das Epic Empires, den erwachsenen Spieler anzusprechen und trumpft mit „Härte“ und „Realität“ sowie möglichst wenig Regeln auf. Ein viel versprechendes Konzept, das jedoch seinen Härtetest erst noch bestehen muss. Das Drachenfest versucht hingegen möglichst viele Aspekte des Spiels und die Vorfeld-Planung in die Hände von Spielern zu legen, was jedoch oft dazu führt, dass sich alle die nicht mitplanen und vorbereiten dann einfach „bespielen“ lassen.

Auch der Knutepunkt kam am Wochenende nicht auf die Musterlösung. Wäre ja auch zu schön, wenn man ein Problem, dass die halbe westliche Zivilisation zur Zeit beschäftigt, auf einem LARP lösen könnte. Ist dieser ganze Text hier also nur ein weiteres Mimimi? Oder ein „Früher war alles besser“ Post? Ich hoffe nicht. Und ich hoffe auch, dass wir das Problem zumindest im Live Rollenspiel in den Griff bekommen können. Dafür müssen aber beide Hälften des LARPs – Spielleiter und Spieler – an einem Strang ziehen und es auch wollen!

Wer mehr zum Knutepunkt und den diesjährigen Themen lesen möchte, dem empfehle ich sehr die diesjährige Essay-Sammlung „The house that LARP built“ (ed. 2010, Helge Larsson). Gibts auch als PDF und zwar hier (falls der Link nicht mehr geht schick ich es euch gern zu).

2 Gedanken zu “Telling, Showing, Playing

  1. Pingback: Telling ist nicht immer schlecht… « Conquestofmythodea's Blog

  2. Statler: „Der Herr Autor macht’s sich heute mal wieder leicht, oder?“

    Waldorf: „Na klar! Erst denkt er sich ein fiktives Problem aus, und dann sollen es auch noch die Leser lösen.“

    Statler: „Ja. Und morgen kommen dann Weltfrieden und Essen für Alle.“

    Waldorf: „Wissen Sie was, Herr Kollege? Ich glaub ihm gehen einfach langsam die Themen aus!“

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