Auf den Pfaden der Urzweifler…

Seit der ConQuest-Blog eröffnet wurde, wollte ich schon immer mal was dafür schreiben. Manchmal dauert es halt etwas länger. Die meisten kennen mich, zumindest aus den diversen LARP-Foren unter den Nick Igi. Der einzige OT-Name, auf dem ich im LARP auch wirklich reagiere, da ich mich sonst nie wirklich groß angesprochen fühle. In den letzten Jahren war ich für die Ölige Pestilenz verantwortlich und nun gehöre ich zu jenen, die für die neue Armee des Zweifels verantwortlich bin.

Und da sitzt man nun und blickt auf den Papierstapel aus 148 Seiten, welche das komplette NSC-Spielhandbuch für die Kultur und Armee der Ratio umfasst. Ein Armeehandbuch, ein AddOn mit zusätzlichen Informationen, ein AddOn für den Style und ein großes AddOn rund um Hintergrund. Und unweigerlich muss ich mich dabei an mein erstes ConQuest erinnern.

2005 als Spieler, wurde ich, wie vermutlich Viele die zum ersten mal auf dem ConQuest sind, einfach erschlagen von der Größe und Masse der Informationen. Ich lernte die Grundzüge Mythodeas kennen, ohne wirklich alles sofort richtig zu verstehen. Besonders erinnere ich mich da an ein Gespräch von Gelehrten, dem ich eigentlich nur zuhörte. Man philosophierte über die Elemente und Verfemten insbesondere über die Ratio. Nicht das viel mehr als der Name bekannt war, aber solche Kleinigkeiten hindert LARPer ja bekanntlich nicht daran es dennoch zu tun :-). Hätte ich damals gewusst, dass ich einer der Autoren sein werde, der die Ratio mal ausarbeiten würde, was hätte ich damals wohl gedacht?

Xanas_SpritzeAls ich 2009 von Spieler auf NSC und Teamseite wechselte und zusammen mit Simon die Ölige Pestilenz neu erschaffen habe, war die Sache relativ einfach. Es gab einen klaren OT-Auftrag für die NSC-Gruppe. Die Welt war bekannt und gesetzt (ich hab sie sogar zu diesem Zeitpunkt begriffen 🙂 ), ebenso wie alle anderen Fraktionen. Selbst die Ölige Pestilenz war in ihrem Kern schon definiert, wir mussten sie praktisch nur nochmal auseinandernehmen, neu zusammensetzen, neue Aspekte und Rollen hinzufügen und dann eine NSC-Gruppe drum herum aufbauen. Viel Arbeit aber relativ problemlos.

Die Ratio war eine ganz andere Sache. Es gab buchstäblich nichts außer der Aussage „Macht mal!“ Aber wie erschafft man eine Kultur ohne Anhaltspunkt? Nicht einmal die Welt in der sie existiert war definiert. Man fühlte sich wie ein Urzweifler der sich fragte „War das alles? Was gibt es da noch? Jenseits der bekannten Welt?“

Außerdem galt es, die Ratio als Armee und Kultur in die Reihe der bereits existierenden Verfemten einzufügen, ohne diesen etwas zu nehmen. Da das Untote Fleisch (individuell durcheinander) und das schwarze Eis (geordnet einheitlich) zwei Extreme darstellen, gab es da auch recht wenig Spielraum. So überlegten wir uns also die ersten Strukturen und Ideen und nahmen diese mit zum Plotwochenende fürs ConQuest 2013.

Dort trafen sich wie jedes Jahr, ein Kern aus Autoren der verschiedenen Bereiche und entzündeten ein wildes Kreativfeuerwerk. Jeder ging auf seine Weise an die neue Welt heran und steuerte seine Ideen bei. So wurde zum Beispiel das neue Spielerlagerkonzept einer Megacity dort geboren.

Mit all diesen Ideen ging es nun wieder nach Hause und man hatte nun genug Input um eine Kultur zu erschaffen … was die Sache aber dennoch nicht einfacher machte.

SONY DSCWir erschufen nicht nur eine Armee und Kultur, wir erschufen eine ganz neue Welt. Verschiedene Autorengruppen beschäftigten sich mit unterschiedlichen Aspekten der Welt und/oder Plots für das ConQuest 2014. Und womit wir uns alles beschäftigten. Jede gefundene Antwort warf zwei neue Fragen auf. Fragen an die man zu Beginn gar nicht dachte. Fragen die auf den ersten Blick völlig banal wirkten, aber wenn man sie im Kontext zu der neuen Welt betrachtete, auf einmal sehr interessant wurden. Wie wirkt sich das Fehlen der elementaren Grundkräfte auf die Spiegelwelt aus? Ist Feuer in der Spiegelwelt mit Feuer auf Mythodea gleichzusetzen? Kann man darauf Essen zubereiten? Wenn nein wovon ernährt sich dann die Kultur der Ratio? Kann man Schmieden oder andere Dinge tun, wozu man Feuer braucht? Oder benutzt die Ratio-Kultur doch was anderes? Und wenn ja was bedeutet das noch alles?

Eine Kultur zu erschaffen ist mehr als nur die Farben der Armee und ihre Struktur zu bestimmen. Wer führt die Kultur? Wie sieht Politik aus? Wie sieht der Alltag aus? Was motiviert die Kultur? Was hält sie am Leben? Wie gehen sie untereinander um? Und die wichtigste Frage am Schluss: kann sie so, wie man es sich überlegt hat, überhaupt existieren oder würde sie einfach sterben? Fragen, auf die so manch neugieriger NSC und Spieler gerne Antworten hätte. Fragen, deren Antworten sich in Auftreten der NSCs sowie im Plot, auf sowohl versteckte als auch recht offensichtlich Art und Weise offenbaren werden.

Jede dieser scheinbar banalen Fragen führte aber unweigerlich auch dazu, dass wir die Welt an sich gestalteten. Das Drehen eines scheinbar unbedeutenden kleinen Rädchens an einer Stelle kann an andere Stelle enorme Auswirkungen haben. Verändert man die Welt, verändert dies die Kultur. Verändert man die Kultur, musste sich auch die Welt entsprechend anpassen, damit alles zusammenpasst. Wo bei der Erschaffung eines neuen Volkes oder Fraktion auf Mythodea, der Rahmen fest installiert war, bewegt sich das Autorenteam derzeit immer noch in einem Rahmen, der sich immer noch etwas ändert. Auch wenn er mit jedem Tag fester wird.

In einem Team aus LARPern, die wie alle anderen LARPer unterschiedliche Meinungen und Ansichten zum Hobby haben, bedeutet dies, das man ständig Dinge zu klären hat. Man streitet und diskutiert um die unterschiedlichsten Dinge, sucht gemeinsam nach Lösungen, um das Optimalste für die Veranstaltung zu finden. Ein Prozess, der manchmal sehr zäh und Kräfte zährend sein kann (und die eine oder andere schlaflose Nacht mit sich bringt). Mindestens einmal im Plotjahr kommt bei mir der Punkt, wo ich mich frage, warum ich das überhaupt mache und ob es nicht viel besser wäre es einfach sein lassen?

Klar wäre es das…. aber wo wäre dann der Spaß? Alle Autoren im Team haben diesen Drang ihren Teil der Geschichte zu schreiben. Eine neue fantastische Welt zu erschaffen. Eine Bühne für NSCs wie Spieler gleichermaßen aufzubauen. Einmal im Jahr eine Veranstaltung mit Geschichten füllen um zu sehen wie Tausende von unterschiedlichsten LARPern in diese, von uns ausgedachte Welt hineintauchen und den Alltag für ein paar Tage zu vergessen.

148 Seiten Ratio-Kultur liegen nun vor mir und nicht ohne einen gewissen Stolz kann ich sagen „Es ist mit einer der komplexesten, ausgefallensten und irgendwo auch verdrehtesten Werke, an dem ich je mitgeschrieben habe.“. Ein Hauptteil meiner Arbeit ist nun getan, nun liegt es in der Hand der NSCs, unseren Traum vom Zweifel mit Leben zu erfüllen. Und ich weiß das sie es mit Freuden machen werden und diesem ihre ganz eigene Note verpassen werden.

In diesem Sinne … wir sehen uns in einer Welt voll Zweifel!

5 Gedanken zu “Auf den Pfaden der Urzweifler…

  1. Wunderbarer Artikel zur Entstehung eines Kulturkonzeptes. Ganz hervorragend geschrieben! 🙂
    Ich freue mich darauf, diese neue Welt voller Zweifel zu erleben und gedanklich bei jeder neuen „Entdeckung“ für mich als Spieler still dem Plotteam und ihren schlaflosen Nächten zu danken.

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  2. Ich bin schon schwer begeistert, obwohl ich noch gar nichts weiß. Hoffe nur, dass die Gerüchte nicht wahr sind, dass Shah Rukh Khan ein Urzweifler ist und die Armee des Zweifels sich mit einem großen Bollywood-Tanz vorstellen wird 😉

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