Die moderne Art der öffentlichen Hinrichtung

Heute richte ich mich mal selbst!

(Öffentliche) Hinrichtungen, Bloßstellung und zur Schaustellung von „Interessantem“ ist im Mittelalter eine Volksbelustigung gewesen. Heute finden wir diese Art, schon aus politischer Sicht, abartig und eines Menschen unwürdig.  Gesetze regeln die Würde des Menschen und ganze Organisationen, wie Amnesty International, kümmern sich darum dass die ganze Welt die Rechte des Einzelnen achtet.

Doch der moderne Mensch braucht auch weiterhin Volksbelustigung. Jetzt ist es selbstverständlich nicht mehr anerkannt sich über eine Frau mit Bart oder einen Kleinwüchsigen lustig zu machen. Statt uns also unfreiwillige Opfer zu wählen, nehmen wir jetzt Freiwillige. Jene Menschen, die sich der Öffentlichkeit präsentieren und ihre persönlichen Leistungen einer gewählten oder zufälligen Jury zeigen. Was ich damit meine?

– Talent-Shows im TV, die aus einem mir unbekannten Grund riesige Einschaltquoten haben und wie Pilze aus dem Boden sprießen. Warum? Weil sich Menschen dort lächerlich machen, gewollt oder ungewollt. Entweder weil sie wirklich glauben gut in etwas zu sein und/oder weil ihnen keiner ihrer Mitmenschen gesagt hat, dass sie einfach nicht gut in dem sind was sie vorzeigen wollen.Nicht zu vergessen natürlich jene, die tatsächlich gut sind..AUSNAHME(n).Es ist leichte Abendkost. Wenn sonst nichts zu tun ist zappe auch ich dort mal hinein. Erst vor kurzem habe ich mich massiv über das gewundert, was dort zu sehen war. Nicht nur die gewählte Jury, und der Kandidat…nein, sogar das im Saal anwesende Publikum ist, in Gewandung gesteckt, ein Bild für „das Volk“…nur was für eins! Einen richtigen Ton hat der Sänger zu Beginn getroffen, wir jubeln und applaudieren, lassen ihn nicht weiter in Ruhe vortragen. Einen falschen Ton, gar ein äußerliches Erscheinungsbild, sie drehen sich mit dem Rücken sofort zum Kandidat, buhen und gestikulieren wild.

– Gewandungsbewertungen, Gewandungsfotos und Charaktergeschichten- Ideen sind in Larpforen zu finden. Wieder stellt ein Mensch sich, sein Können, seine Vorstellungen und Erfahrungen in Bild und Text der Öffentlichkeit vor. Oft weil er gut findet, was er kann. Und dann urteilt die Jury und das Publikum. Diese Beiträge finden wir in nahezu jedem Larp-Forum. Gerade Neulinge nehmen daran als Kandidat teil, oft übernehmen langjährige Larper die Rolle der Jury. Die meisten Jurymitglieder sagen dann, dass sie ja nur helfen wollten um den Neuling vor dem zukünftigen Scheitern zu schützen. Die Urteile der Jury sind dabei teilweise mitfühlend, an anderen Stellen Konstruktiv, teilweise aber auch beleidigend. Dann entbrennen oft  Diskussionen innerhalb des Volkes über freie Meinungsäußerung, Geldmangel, Fantasy usw. Manchmal gar,  schafft der Gerichtete es der Guillotine zu entkommen. Irgendwie wird er ein paar Jahre später selbst zum Richter.

Was also die moderne Art der Hinrichtung ist? Was moderne Volksbelustigung ist? Freiwillige, die sich und ihr Können dem Volk zeigen. Und wenn sie nicht wirklich gut, sondern nur Durchschnitt, oder gar wirklich schlecht sind, so werden sie gerichtet werden. Manch einer im TV, in unserem Hobby eher in einem Forum, oder auf einem Con.

Nur warum diese Freiwilligen das tun, das habe ich bisher nicht herausfinden können.  Warum braucht das Volk diese Art der Belustigung?

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4 Gedanken zu “Die moderne Art der öffentlichen Hinrichtung

  1. Tja, schöner Text.

    irgendjemand hat es mal so ausgedrückt:
    Eine Diktatur braucht ein Programm / Vorführung wo Sie Ihre Macht darstellen kann und die Masse kontrollieren.

    Eine Demokratie braucht viele Programme damit jeder sich politisch korrekt freuen kann und die wircklichen Probleme nie wahrnehmen / filtern wird.

    In diesem Sinne schmeiß den Fernseher weg und lies Zeitung… verdammt nur welche…
    „Aufseher, wer kontrolliert die Vögel?“

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  2. Und gleichzeitig sind die Kommentare aktiviert, sodass man über den Blogpost urteilen kann.

    Ansonsten geb ich dir schon recht: Ich hab schon einmal festgestellt, dass zwar in der Schule mitlerweile (in meinem Fall) kein Kleidermobbing mehr herrscht, im Larp dagegen Gang und Gebe ist. Nur mit dem Unterschied: Schuluniformen kann man nicht einführen.

    Aber vielleicht isses ja auch wie in anderen Hobbys oder Sportarten auch: Es gibt Hobbys, es gibt Leute, die einen beurteilen, …

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  3. Naja zu diesem Thema wurden schon Abhandlungen geschrieben.
    Mal meine persönliche Hypothese: Ich denke das Thema spaltet sich in drei Teilbereiche
    Das Subjekt
    Der Präsentierende
    Der Rezipient

    Das Subjekt:
    Teils auf Suche nach Bestätigung, Geltungsbedürfnis, Stolz auf das Geleistete ist er der Hoffnung dass seine Auffassung von der Mehrheit der Rezipienten bestätigt wird.

    Der Präsentierende:
    Teils aus tatsächlichem Interesse, großteils jedoch aus Vermarktungsgründen auf der Suche nach Dingen die andere Leute interessieren um mehr Aufmerksamkeit auf sich und/oder sein Medium zu lenken. (TV / Foren-Thread / … ). Oft wird darum die Präsentation derart verändert, dass die Subjekte schlecht dastehen.

    Der Rezipient:
    Hat seine eigenen Vorstellungen und ist nicht von der Voreingenommenheit des Subjekts betroffen und kann die Qualität objektiver betrachten. Entsprechend des Manipulationsgrades der Präsentation (sowie des Emphatiegrades des Rezipienten) resultiert daraus mehr oder weniger Identifikation mit dem Subjekt.
    Je weniger Identifikation, desto weniger Gnade.

    Warum braucht man das?:
    Damit „man“ sich besser fühlen kann hat „man“ das Bedüftnis zu sehen, dass es schlimmer hätte kommen können.
    Zudem sorgt die (speziell im Fall von TV) manipulierte Wahrnehmung des Sachverhalts zur Herabsetzung des Subjekts bei Abnehme der Identifikationsmöglichkeit mit dem Subjekt = Komik. Komik verkauft sich besser, weil es Leute zum Lachen bringt. Lachen lenkt ab, schüttet Endorphine aus, führt zu Wohlgefühl (und das ggf. zu Kaufneigung).

    Warum präsentiert sich das Subjekt nun trotzdem / weiterhin?
    Weil es, trotzdem es sich der Lächerlichkeit preisgeben hat, zu einem Teil das erhält, wonach es suchen: Bestätigung, Aufmerksamkeit.
    Man erreicht doch immer wieder einige welche die selben Auffassungen haben, das toll finden was jemand da macht. Eventuell sogar kreative Vorschläge machen statt destruktive.

    Wo liegt das Problem?
    Hauptsächlich am Vermittler imo.
    Bei Ausschalten der Vermittlung bei der Präsentation (oder altruistischer, realitätsnaher Vermittlung) und plausibler Identifikationsmöglichkeiten verliert die Möglichkeit sich lustig zu machen an Charme und führt dazu dass sich die Rezipienten sich genötigt fühlen, sich aus ihrem Sessel zu erheben und (bei Interesse) konstruktiv zu interagieren statt destruktiv. (Aber das wäre ja Arbeit und macht oft keinen Spaß..)

    Warum entsteht Komik durch Herabsetzung?
    Tja, ich fürchte, das liegt einfach in der menschlichen Natur begraben.

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